Empfehlung zur Leipziger Buchmesse / Rezension - Postdoc - Gottfried Schatz

10.03.2015 13:59

Anbei findet ihr als Empfehlung zur Leipziger Buchmesse 2015 meine Rezension – Postdoc – Gottfried Schatz

Kurzbeschreibung:

Der junge Biochemiker Antal von Némethy ist am Ziel seiner Träume: Er arbeitet als Postdoc in einer renommierten New Yorker Forschungseinrichtung an einem neuen Krebsmedikament. Doch dann begeht Ilona, seine Kollegin und Geliebte, Selbstmord. Auf der Suche nach den Gründen trifft Antal in Wien auf ihre Zwillingsschwester Ildikó, auf die Schatten in Ilonas Vergangenheit und einen unfassbaren Verrat. Gottfried Schatz verknüpft gekonnt die dunklen Kapitel des 20. Jahrhunderts in Österreich und Ungarn mit einer mitreißenden Erzählung um Liebe, Freundschaft und die Faszination wissenschaftlicher Forschung. Antal bewegt sich in einer Welt im Umbruch. Obwohl in der Steiermark geboren, ist er immer noch von der Vergangenheit seines ungarischen Vaters geprägt und bleibt wie dieser ein Fremder zwischen zwei Welten. Der Tod des Vaters und das Scheitern seines Experiments stürzen den jungen Wissenschaftler schließlich in eine tiefe Krise. Und eine neue Krankheit, die später als Aids bekannt werden sollte, erschüttert seinen Glauben in den wissenschaftlichen Fortschritt.

Gebundene Ausgabe: 240 Seiten / Hardcover

Verlag: Styria Premium; Auflage: 1 (28. Januar 2015)

Lieben Dank an den Literaturtest: https://www.literaturtest.de/ für das Cover und ein Rezensionsexemplar!

 

 

Angaben zum Autor (nach Amazon):

Gottfried Schatz, geb. 1936, forschte als Biochemiker in Wien und New York. 1968 emigrierte er in die USA, wo er eine Professur an der Cornell University (Ithaca, NY) übernahm. 1974 übersiedelte er an das Biozentrum der Universität Basel, das er zeitweise leitete. Nach seiner Emeritierung präsidierte er den Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierat. Zahlreiche hochrangige Preise und zwei Ehrendoktorate. Essayist, Buchautor und Konzertmoderator.

 

Rezension: Wenn das Leben Dich erwartet und Du noch nicht bereit zu sein scheinst, es zu leben / oder, wenn in deinem Leben Etwas noch auf Dich zu warten scheint und Du es selbst nicht merkst!

Antal wird als einziges Kind einer österreichisch-ungarischen Fabrikantenfamilie geboren, die eine hochangesehene Plastikfabrik führt und sich damit einen gewissen höheren Lebensstandard sichern kann. Von diesem wird auch der junge Antal mit multi-nationalem Hintergrund später profitieren können. Während ihn in seiner Kindheit seine geschichtlich familiäre Vergangenheit wenig interessiert, obgleich er sich in seiner Heimat fremd fühlt, entdeckt er früh seine Liebe für die Wissenschaft. So begibt er sich nach seinem Abschluss als junger Biochemiker in ein renommiertes Forschungslabor in NYC, USA. Durch ein überaus respektables Stipendium und den ‚Reichtum‘ seiner Familie unterstützt, beginnt er dort angekommen als Postdoc an der Weiterentwicklung eines potenziellen Krebsmedikamentes zu forschen. Diese Forschung liegt ihm sehr am Herzen, da er während seines Studiums selbst eine nahezu identische Entdeckung hinsichtlich der Heilung von Krebs machte und enttäuscht feststellen musste, dass ein anderer – der Leiter der NYer Forschungseinrichtung – ihm damit scheinbar bereits zuvorgekommen ist. Auf Anraten seines früheren Mentors begibt er sich daher nach NYC um den ‚wahren Entdecker‘ zu finden und zu unterstützen.

Da er die meiste Zeit seiner Tage und Wochen in der Forschungseinrichtung verbringt, hat er somit kaum ein privateres Leben und knüpft neben den wenigen anderen Postdocs keine sozialen Kontakte. Auch zu diesen sind die Beziehungen wenig von tiefer Freundschaft geprägt, denn viel mehr der Natur von simplen Bekannten. Der Grund hierfür liegt in der Vorgabe des Institutsleiters, dass die einzelnen Postdocs sich kaum untereinander austauschen dürfen. Somit kann auch NYC keine neue Heimat für ihn werden.

„New York betrat man aber nicht ungestraft. Wer dort verweilte, verlor seine Wurzeln […], denn die Stadt ruhte auf Fels, Sand und Sumpf, die fremdem Leben nur zögernd Halt gewährten.“

Von Ehrgeiz getrieben widmet er sich vollends seiner Forschung. Als er eines Tages mit dieser ins Stocken gerät, sucht er den Rat der unnahbaren Kollegin Ilona mit ebenfalls ungarischen Wurzeln. Aus Hilfe und Anerkennung wird schnell so etwas wie Liebe und Vertrauen. Obgleich die beiden sich rasch näherkommen und Ilona ein düsteres Geheimnis über den Leiter des Forschungslabors mit Antal teilt, so erlaubt ihnen die Zeit nicht, sich wirklich kennenzulernen. Seine nächste Bezugsperson nimmt sich das Leben und Antal findet sich alleine in einem Strudel aus Unvollkommenheit, Existenzangst und der Frage nach dem ‚Warum‘ wieder. Um diese zu klären, versucht er Ilonas Geheimnis zu lüften. Dieses führt ihn auch unabdingbar in seine eigene Vergangenheit zurück und er beginnt mit der Hilfe seines Vaters seine Familiengeschichte aufzudecken: Eine Erklärung,

  • warum es scheint, er könne nie wirklich irgendwo ankommen?
  • Warum er das Gefühl hat, mit seinem Leben ins Leere zu laufen?

Dabei entdeckt er einen grausamen Verrat und erfährt um die brisante Geschichte seines ‚diebischen‘ Vorgesetzen, die letztendlich seine Ilona in den Tod getrieben hat. Damit nicht genug, wird er kurz darauf auch noch mit dem plötzlichen Ableben seines Vaters konfrontiert und bedauert, nicht mehr Zeit mit ihm verbracht zu haben. Aber auch die Hinterlassenschaft seines Vaters – die Fabrik – birgt eine große Herausforderung für Antal. Ein Gerichtsprozess wegen Umweltverschmutzung steht an und sein Erbe und die Ehre seines Vaters somit auf der Kippe. Antal beginnt viel zu reisen, um sowohl Ilonas Tod endgültig zu klären, den Verrat zu sühnen und seinem Vater die letzte Ehre erweisen zu können. Unverhofft trifft er dabei auf eine neue, ‚alte‘ Liebe, aber auch auf weitere Rätsel und Gefahren, deren freundliche Warnungen er zuvor ausgeschlagen hat. Es kommt zu weiteren mysteriösen Todesfällen, den Vormarsch einer unbekannten Krankheit und das Scheitern seiner eigenen Forschung. Antals Leben scheint ihn in eine niederringende Strömung zu ziehen während es ihn durch die Länder dieser Welt schleift. Und doch – irgendwo zwischen den Wolken und über den Dächern der Welt hinweg – findet er ihn plötzlich, den Grund seines weiteren Lebens…

„Das Leben ist ein dauerndes Tauziehen zwischen Soll und Haben.“

  • Ihr wollt wissen, wie dieser aussieht und welches überraschende Ende die Geschichte bietet?
  • Warum hat sich Ilona umgebracht und welche Rolle spielt dabei der Institutsleiter?
  • Mit welchen Massen wird Antal von seiner eigenen Geschichte eingeholt?
  • Und kann er die Fabrik seines Vaters retten?
  • Wird Antal all diese Rätsel klären können und der Forschung neue Tiefe verleihen?
  • Und wer sind jene, die ihn so freundlich warnten und auf deren Rat er nicht hörte?

All diese Fragen machen die Geschichte so lesenswert und ich kann euch alle nur dazu ermutigen, sie in eure Gedanken, in euer Leserherz zu lassen.

„Wenn du dir immer einen Rückweg offenhältst, wirst du bequem leben, dich aber früher oder später fragen, warum du nicht mehr aus deinem Leben gemacht hast.“

Da ich seit meiner Schulzeit selbst ein großes Interesse an der Wissenschaft, in meinem Fall allen voran der Biologie und Astrophysik (als Hobby) hege, war es für mich sehr interessant einen von einem ‚echten‘ Wissenschaftler verfassten Roman lesen zu dürfen. Vielen lieben Dank an den Verlag für diese einmalige Chance. Ich muss sagen, von alleine wäre ich höchstwahrscheinlich nicht auf diese literarische Schmuckstück gestoßen. Aufgrund dessen, das mein Mann selbst eine gewisse Zeit lang biomedizinische Chemie studiert hat, konnte ich evtl. Unklarheiten schnell klären. Generell ist das Buch sehr beeindruckend geschrieben, zeugt von großer Kenntnis in seinem Themenbereich und weist einen enormen emotionalen Tiefgang hinsichtlich der Zwischenmenschlichkeit und pers. sowie geschichtlicher Vergangenheiten der einzelnen Charaktere auf. Die Erzählung um Antal und der Suche nach sowie dem Finden dessen, was das Leben ‚eigentlich‘ für einen bereithält, hat mich zutiefst beeindruckt. Der Schreibstil des Autors ist sehr anspruchsvoll und vornehm und doch ist die Schwere der Thematik mit so einer Leichtigkeit formuliert, dass sie selbst für Laien gut verständlich ist. Unterstützt wird dies durch das dem Buch angehängte Glossar. Großen Respekt dafür. Der Namensgebung hat der Autor besonderes Augenmerk gewidmet, was man beim Lesen spürt und der ganzen Geschichte umso mehr Authentizität verleiht. Die Spannung dieser Geschichte ist eher emotionaler, familiärer Natur, denn tatsächlich von Aktionen getrieben, aber dies macht es für mich nur umso schöner, dieses Buch lesen zu können. Der Tonus ist sehr nachdenklich gehalten, lehrreich und zugleich packend und von Visionen durchzogen, die man sich vielleicht auch für sein eigenes Leben wünscht. Ankommen möchte jeder! Gerne hätte ich noch etwas mehr über den Sohn des Polizisten beziehungsweise seine Parallelität zu Antal erfahren. Aber ich verstehe, dass manche Dinge einfach dem Einfallsreichtum der Leser überlassen werden müssen.

 

Mein großes Kompliment gilt neben der tiefen Geschichte auch der Aufmachung des Buches an sich. Mir hat es sehr gefallen, wie das Cover und der Buchumschlag gestaltet sind. Die düsteren Farben verleihen dem inhaltlichen Thema die nötige Schwere und liefern doch mit dem ‚Blick nach Vorn‘ eine gewisse Hoffnung. Sehr berührend und passend. Ich danke dem Verlag und Autor an dieser Stelle auch für die Zusendung eines Hardcovers, das war für mich neben den vielen E-Books mal wieder eine willkommene Abwechslung. Auch die Stärke und Griffigkeit des Seitenpapiers ist mir sehr positiv in Erinnerung geblieben.

 

Abschließend möchte ich mit folgenden Worten dem Autor für seinen gelungenen Debut-Roman danken:

Postdoc‘ – eine sehr lehrreiche Geschichte über das Schmücken mit fremden Federn, über Liebe, tiefe Freundschaft und die Bedeutung der eigenen Vergangenheit, aber auch eine Geschichte über einen Neubeginn und ein überraschendes Ende.

Meine absolute Leseempfehlung, um aus dem Reich der Zeit ausbrechen zu können.

--Jil Aimée