Rezension – Das Honigmädchen – Claudia Winter
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Kurzbeschreibung
Die alleinerziehende Camilla kämpft an allen Fronten: Täglich muss sie sich im väterlichen Delikatessenhandel beweisen, während ihre fünfzehnjährige Tochter Marie gegen sie rebelliert. Und dann wird sie auch noch nach Südfrankreich geschickt, um mit einer Honigmanufaktur zu verhandeln – im Gepäck das tobende Mädchen und ihren nervtötenden Nachbarn, der sich ihnen spontan angeschlossen hat. Kein Wunder, dass sich das pittoreske Bergdorf Loursacq zunächst als wenig heilsam für die angespannten Gemüter erweist. Doch Camilla krempelt die Ärmel hoch – und lernt zwischen Tomatenstauden, Rebstöcken und Olivenbäumen, dass die guten Dinge im Leben erst dann auf zarten Flügeln herbeifliegen, wenn man bereit für sie ist …
An dieser Stelle danke ich dem Goldmann Verlag für das Bereitstellen eines Besprechungsexemplars. Dieser Umstand hat keinerlei Einfluss auf meine neutrale und ehrliche Beurteilung des Werkes.
Erscheinungsdatum: 18. März 2019
Seitenzahl der Printausgabe: 448
Verlag: Goldmann Verlag
ISBN-13: 978-3442485741
ISBN-10: 3442485746
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Angaben zur Autorin
Claudia Winter, geboren 1973, ist Sozialpädagogin und schreibt schon seit ihrer Kindheit Gedichte und Kurzgeschichten. Als Tochter gehörloser Eltern lernte sie bereits mit vier Jahren Lesen und Schreiben, gefördert von ihrem Vater. Vor "Aprikosenküsse" hat sie weitere Romane sowie diverse Kurzgeschichten in Anthologien veröffentlicht. Ihr neuer Roman "Glückssterne" erscheint am 12. Dezember 2016 im Goldmann Verlag, Random House.
Ihre frühen Werke sind in Neuauflage unter dem Pseudonym "Carolin Wunsch" erschienen.
Die Autorin lebt mit ihrem Mann und den Hunden Kim und Luka in einem kleinen Dorf nahe Limburg an der Lahn.
Kurzmeinung
Atemberaubende Kulisse meets grandiose Charakterentiefe und eine beeindruckende Storydichte. Ein Buch, das mein Herz höher- und schneller schlagen ließ. Plus: Ganz viel Bonusmaterial für den Leser. Rezepte zum Nachprobieren und Insiderinfos ins provenzalische Leben. Mein #mustread des Frühlings.
Rezension – Von wundersamen Wegen und dem Summen der Bienen sowie der Erkenntnis: Alles hat seine Zeit!
Was wenn man keinen Zugang zu seinem eigenen Kind mehr findet?
Wenn das Leben einem keinen Honig aufs Brot schmiert, sondern diesen zum Verkaufsargument deklariert?
Was wenn das Erbe des elterlichen Betriebs einem den Blick für die wirklich wichtigen Dinge raubt?
Wenn das eigene Bestreben nach Erfolg einem den Weg zur Liebe versperrt?
Was wenn man sich alleingelassen und missverstanden fühlt?
Wo man doch einfach nur hätte richtig zuhören müssen?
All diese Fragen stellt sich Camilla jeden Tag – und viele mehr. Sie sind das Gerüst ihres Lebens. Die Liebe ist vorbei, nichts als ein mahnender Stachel im Herzen, dass sie alles verloren hat. Ertrunken in Arbeit und Erfolgssucht. Nicht ihrer, doch in der des Vaters ihres Kindes. Gegen Sterne kommt das menschliche Herz wohl nicht an. Camilla ist alleinerziehend und liebt ihre Teenager-Tochter über alles. Versucht jeden Tag durch harte Arbeit, das gemeinsame Leben ein Stückchen besser zu gestalten. Einer Arbeit, die ihr ebenfalls am Herzen liegt, da sie den Erhalt des elterlichen Betriebes sichert. Ein Delikatessenhandel, der an Exklusivität nicht zu übertreffen ist, aber auch schon mal bessere Zeiten gesehen hat …
Sie opfert sich auf, für beide Seiten und wird doch keiner davon gerecht. Die Tochter fühlt sich missverstanden, vernachlässigt, ja von der Mutter ungeliebt und wird zum Rebell. Ihr Vater und die Firma scheinen nicht offen für ihr betriebliches Auge, ihren visionären Weitblick. Camillas Vorschläge zu Kosteneinsparungen und Neukonzeptionierungen werden mit einer simplen Gäste vom Tisch gebügelt.
»Ich weiß bloß, aus welchem Stoff tragische Geschichten gemacht werden.«
(S. 255)
Sie rödelt und rödelt, und kommt doch nirgends an. Verliert sich überdies immer mehr selbst. Ist zunehmend erschöpft, lebt sie doch nur noch für andere und nicht mehr für sich. Die Arbeit ist hart und frustrierend, doch auch Zuhause findet sie nebst der Tochter keine Ruhe. Denn da gibt es diesen neuen Nachbarn – für sie ein Lebemann, wie er im Buche steht –, der ihr nach und nach den Verstand raubt. Bis … ja bis ihr Vater eines Tages die Reißleine zieht und sie samt Tochter zum ertraglosesten Honiglieferanten nach Frankreich schickt. Eine Reise, die einen weiteren unverhofften Begleiter erfährt und die Karten in Camillas Leben neu mischt. An allen Fronten. Es ist eine Reise, die ihr Leben verändern wird … doch wird sie auch ihr Herz heilen und ihr all die Fragen beantworten können, die sie sich tagein, tagaus stellt? Wird Camilla sich selbst wiederfinden und mit ihrer Tochter eine neue Chance erhalten?
»[…] obwohl der Schmerz ganz woanders saß. An einer Stelle, wo man blaue Flecken nicht sah.«
(S. 115)
Begleitet sie in das beschauliche französische Örtchen Loursacq, wo die Vergangenheit so nah ist wie die Zukunft und so fern wie das Selbst in der Gegenwart. Ein malerisches Bergdorf, das an Eigenwillen und Charme nicht zu überbieten ist und noch jeden in seinen Grundfesten erschüttert und auf den rechten Weg zurückgebracht hat. So auch Camilla, ihre Tochter und den geheimnisvollen Begleiter? Seid gespannt.
Für mich war Das Honigmädchen von Claudia Winter ein herausragendes Leseerlebnis. Eine so beeindruckende Geschichte, dass ich sie einfach wieder und wieder lesen möchte. Einfach, weil alles gestimmt hat. Von der pittoresken Szenerie, die mich auf eine Reise mitgenommen und fernen Orten so viel nähergebracht hat. Über einmalige Charaktere mit echten Problemen und dem Kampf einer Mutter um die Liebe zur Tochter. Und umgekehrt. Etwas so Natürliches, dass es manchmal im Wahn des Alltags untergeht. Weil wir verlernen, wirklich zuzuhören. Bis zum atmosphärischen und mitreißenden Schreibstil der Autorin, der einen nur so durch die Seiten trägt. Durch und durch ein ruhiges und doch seelenvolles, ein kurzweiliges und doch aus familiärer Sicht spannendes, ein hoch ergreifendes Lesevergnügen. Ein Buch, das für mich seinesgleichen sucht. Dabei schafft es die Autorin nicht nur, das Leben der einzelnen Charaktere und Nebencharaktere rund und authentisch zu skizzieren, sondern der Geschichte an sich auch eine brisante und hoch aktuelle Note zu verleihen: das Leben der Bienen. Wir alle wissen es, die Welt braucht sie und wir müssen ihren Lebensraum wahren. So kleine, zunächst unscheinbare Lebewesen, die so voller Wissen und Kraft stecken. Die unserer Welt guttun. Eine Welt, die wir zu oft zu nachhaltig zerstören. Frau Winter verdeutlich auf leichte und doch wachrüttelnde Weise, was es braucht, uns dem wieder zu nähern, was wirklich wichtig ist. Sei es das Leben der Bienen, die Beziehungen in einer Familie oder das eigene Glück. Sie weckt auf, regt zum Nachdenken, vor allem aber zum Handeln an. Und dies alles verpackt in eine wunderbare, atmosphärisch dichte Geschichte, die lange nachhallt.
Für mich ist das Honigmädchen eine Hommage an das Leben in all seinen Facetten, ein Liebeslied an die Bienen, die Schönheit der Natur. Eine unglaublich schöne, gehaltvolle und wohltemperierte Lebens- und Wohlfühlgeschichte, die mich in genau der rechten Zeit erreicht hat. Mir etwas Leichtigkeit in mein Leben zurückgegeben hat. Und genau dafür sind Geschichten doch da.
Das Honigmädchen ist all das und noch so viel mehr. Ich kann euch dieses Buch, wie jeden Winter, nur absolut empfehlen. Jedes in seiner Art ist wundervoll und wenn ich schon nicht mehr weiß, wie die Autorin es noch toppen will, sie schafft es immer wieder und liefert einfach ab und überrascht – mit neuen Wendungen, einzigartigen Ideen und so viel Liebe zum Detail.
Ich wünsche euch viel Spaß damit.
Eure Jil Aimée