Rezension - mein bester letzter Sommer – Anne Freytag

19.04.2016 09:19

Kurzbeschreibung

Wann du die große Liebe triffst, kannst du dir nicht aussuchen.

Tessa hat immer gewartet – auf den perfekten Moment, den perfekten Jungen, den perfekten Kuss. Weil sie dachte, dass sie noch Zeit hat. Doch dann erfährt das 17-jährige Mädchen, dass es bald sterben muss. Tessa ist fassungslos, wütend, verzweifelt – bis sie Oskar trifft. Einen Jungen, der hinter ihre Fassade zu blicken vermag, der keine Angst vor ihrem Geheimnis hat, der ihr immer zur Seite steht. Er überrascht sie mit einem großartigen Plan. Und schafft es so, Tessa einen perfekten Sommer zu schenken. Einen Sommer, in dem Zeit keine Rolle spielt und Gefühle alles sind …

Erscheinungsdatum: 8: März 2016 (Gebundene Ausgabe)

Seitenzahl der Printausgabe: 368

Verlag: Heyne Verlag

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Über den Autor

Anne Freytag, geboren 1982, hat einen BA Hons. in »International Management« gemacht und für verschiedene Werbeagenturen gearbeitet, bevor sie sich ganz ihrem Traumberuf widmete. 
Das Schreiben ist ihr während des Studiums ganz plötzlich »passiert« und hat sie nicht mehr losgelassen.

Anne Freytag veröffentlichte bereits mehrere Romane für Erwachsene, teilweise unter ihrem Pseudonym Ally Taylor. Unter diesem Namen schreibt sie Romane, die in den USA spielen, erfindet sich mit ihrer besten Freundin Carrie Price (aka Adriana Popescu) malerische Städtchen an der amerikanischen Ostküste, badet im Klischee, taucht tief ins Drama ein und nennt prickelnde Erotik ihr Handwerk. Anne Freytag hingegen ist die fürs Reale, deren Geschichten in und um München spielen. Geschichten, die in der Nachbarwohnung stattfinden oder einer guten Freundin passieren könnten. Anne Freytag schreibt Erwachsenenliteratur und Jugendbücher.

Rezension: Koste den Moment aus, denn er ist das Jetzt!

In ‚mein bester letzter Sommer‘ begeben wir uns mit der schwer kranken Tessa auf die Reise ins Leben. Sie hat ein Loch im Herzen und auch ihrer Lunge fällt es mit jedem Atemzug schwerer, ihr die nötige Luft zu geben. Tessa war immer eines: ein Musterkind. Gute Noten, die besten beruflichen Chancen, hat sich (für andere) immer richtig entschieden, die richtigen Prioritäten gesetzt und gelernt, während andere feiern waren. Gelernt, während andere verliebt waren. Gelernt, während andere einfach gelebt haben. Ja, sie hat ihr Leben in die Zukunft geschoben, in das ‚Später‘ geschrieben.

  • Doch was, wenn es dieses ‚Später‘ für sie nicht mehr geben wird?
  • Was, wenn alles, was man wirklich hat, dieser Moment ist?
  • Dieser eine Moment nur, wo es doch noch so viel zu erleben gilt?

Jetzt rennt ihr ihre Zeit davon und sie muss erkennen, dass sie von ihrem Leben doch noch so viel mehr wollte, als nur auf den Tod zu warten und die falschen Entscheidungen für sich zu treffen. Sie wird zunehmend zorniger, trauriger und schwermütiger. Die Erkenntnis trifft sie hart. Und dann trifft sie auf Oskar, zunächst ein kurzer – scheinbar unbedeutender – Moment in der Weltgeschichte.

„Es ist, als würden sich unsere Blicke unterhalten, sich erkennen, wie aus einem anderen Leben.“

Aber in ihrer wird er den Hauptakt spielen. Denn Oskar ist dieser Junge, auf den sich das Warten über all die Jahre doch so sehr gelohnt hat. Dieser eine Junge, der sie auf wundervoll tragische und liebevolle Weise zurück in ‚ihr‘ Leben führt. Der ihr so wunderbar viele ‚erste Male‘ schenken wird. Auch wenn es eben nur für diesen Moment ist. Er schenkt ihr eine letzte Reise, einen letzten Sommer, der ihr vielleicht nicht all das geben kann, was sie sich jemals vom Leben erträumt hat. Der ihr aber doch all das gibt, was sie tatsächlich braucht: Lieben und geliebt zu werden, ist genug.

„Ich weiß genau, was er denkt. Wir teilen den Gedanken.“

  • Doch wie kann Tessa auf Reisen gehen, wenn sie nicht weiß, ob sie je wiederkommen wird?
  • Wie verabschiedet sich ein Teenager von seiner Familie, von seiner großen Liebe?
  • Wie verabschiedet sich ein Teenager von sich selbst?
  • Wird diese Reise wirklich zu dem Leben, das Tessa braucht, oder holt sie ihre Krankheit ein?
  • Verrinnt ihre Zeit schneller, als erhofft?

Schaltet Eure Lieblingsmusik ein. Oder Teskars Playlist - Ich habe sie beim Lesen gehört und wurde direkt ins Geschehen eingesogen. War mit auf dem Weg nach Italien. Habe alles gesehen. Holt Euch mehrere Packungen Taschentücher. Eine Decke würde auch helfen. Und dann lehnt Euch zurück und lasst Euch erfassen von der Welle des Lebens. Denn auch wenn dieses Buch ein Abschied ist, so ist es doch voller Leben in jedem Moment. In jeder Seite. In jedem Wort. Und ich danke der Autorin dafür, dass sie mich mit ihren Zeilen daran erinnert hat. Ihr werdet es lieben, ich tue es noch immer.

Dieses Buch hat neben der eigentlichen Geschichte so viele Highlights. Da gäbe es den Hasen und die Krabbe, die beide eine besondere Bedeutung haben. Sie stehen für Wünsche und Sehnsüchte, aber auch für Ängste. Doch vor allem auch für Festhalten und Loslassen, für Leben und Erinnerung. Es lohnt sich, sie kennenzulernen. Krabbe und Hase werden Euch zu Beginn der Kapitel begegnen und Euch diese Geschichte nicht nur aus einer Sicht sehen lassen. Dann gibt es da dieses wunderbare Cover, das die Welt in eine Reise packt. Eine Karte, die dem Jetzt mehr an Bedeutung schenkt. Eine kurze Reise voller Musik, denn Musik ist Leben. Eine kurze Reise, die durch das Erlebte doch viel länger wirkt.

Ich musste erst einmal verdauen, als ich dieses einzigartige Buch beendet habe. Ich musste es mich erst einmal in seiner ganzen Größe ausfüllen lassen, bevor ich diese Besprechung schreiben konnte. Und auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Aber diese Rezension ist anders. Sie ist Leben und leben lassen. Wir alle kennen diesen einen Menschen, von dem wir uns zu früh verabschieden mussten. Aber auch dieser Mensch musste sich von uns verabschieden, von seinem Leben. Genau dies ist es, was die Autorin so ergreifend leicht und doch ehrlich schwer mit diesem Roman verdeutlicht hat. Ich musste es erst einmal sacken lassen. Sehen, wie lange es mich begleitet. Nach all diesen Tagen ist es noch immer in meinem Herzen und ich weiß, es wird dort bleiben. Es ist diese eine Geschichte, die mich im positiven Sinne immer begleiten wird. Mich daran erinnern wird, den Moment zu leben und zu schätzen und dankbar zu sein. Auch mal zornig sein zu dürfen. Denn das Leben ist nicht immer nur Freude. Auch mal Lachen zu dürfen, denn das Leben ist nicht immer nur Trauer. Die beiden liegen stets eng beieinander, können zugleich empfunden werden. Und doch, am Ende gilt: das Leben ist schön. Daher musste ich warten, um diesem wunderschönen Werk die richtigen Worte schenken zu können. Ich weiß nicht, ob mir dies schließlich gelungen ist. Aber das ist auch nicht wichtig. Wichtig ist nur, dass ich es nicht verpasst habe. Nicht das Buch, nicht die Geschichte, nicht das Leben darin. ‚mein bester letzter Sommer‘ ist mein Lieblingsbuch. Das Eine, an das ich mich auch in Jahrzehnten erinnern werde, wenn die Frage danach kommt. Eben weil es mich so tief berührt hat, wie es nur einmal passieren kann.

Anne Freytag hat hier einen wundervollen Roman für alle Altersklassen geschrieben. Eine Geschichte über die Bedeutung, wirklich Abschied zu nehmen und das Leben in all seinen Zügen im Jetzt voll auszukosten. Ein Roman über all die Gefühle, die das Leben erst zu dem machen, was es ist: Leben. Einfach ungeschönt und ehrlich beschreibt die Autorin die empfundene Wut über das Verrennen und Verwirken von (Lebens-) Zeit sowie den erdrückenden Schmerz, der sich um das Herz klammert und einem die Luft abschnürt. Aber eben auch über das wunderbarste aller Gefühle: eine befreiende Liebe, die sogar über den Tod hinaus Hoffnung gibt. Ein Roman auch über die Vergebung. Für andere und sich selbst. Über das Loslassen und ankommen. Letzten Endes aber vor allem über die Liebe. Es ist einfach wirklich eines dieser (selten gewordenen) Bücher, die die ganze Palette der Gefühlswelt bedienen, ohne dabei ‚over-the-top‘ zu wirken. Ich habe es schon mal angemerkt, aber in jeder Zeile springt einem die Ehrlichkeit der unterschiedlichen Emotionen ins Gesicht und macht einem erst begreifbar, was wir alle gemein haben, aber was nur allzu oft in den Hintergrund gerät: unser Leben. Und in diesem sollten wir nicht zu einem Statisten werden, der nur irgendwie funktioniert und Aufgaben erfüllt, damit das Drumherum zufrieden scheint. Nein, im eigenen Leben sollte man die Hauptrolle spielen, wünschen, träumen, Fehler machen, sich ausprobieren und vor allem nach den Sternen greifen. Es leben, so lange man noch kann. Denn wir wissen nicht genau, wie viele Schläge unsere Uhr noch für uns übrig hat. Natürlich hoffen wir auf das Beste, auf die Ewigkeit in unserer kleinen Welt. Aber es ist am Ende das Jetzt und der Moment, die wirklich zählen. Und die gilt es mit all seinen Fasern zu leben. Anne Freytags Roman verdeutlich dies auf ergreifende, tiefgründige, traurige und zugleich bittersüße, romantische, liebevolle, zornige, verzweifelte, und aber vor allem auch unverkrampfte Weise. Und ich könnte noch viel mehr passende Adjektive finden, die nicht nur die Geschichte, sondern auch ihren herausragenden Schreibstil betonen, der die Seiten trotz der Schwere und Leichtigkeit zugleich einfach nur so fliegen lässt. Aber ich denke, ihr versteht meinen Punkt. Und letzten Endes solltet ihr dieses Buch wirklich nicht verpassen.

Begebt Euch auf eine Reise. Eine erste Liebe, eine tragische und doch wunderschöne, weil sie die Welt bedeutet, weil sie Tessa und Oskar etwas im jeweils anderen finden lässt, dass ihre Herzen brauchen. Entdeckt durch Tessas Augen und durch Oskars Liebe und jugendliche Freiheit neue Welten. Oh, und welche Farben diese Welten tragen. Sie schillern in den bunten, fröhlichen Tönen des italienischen Flairs. Sie machen das Leben lebenswert und den Abschied davon nicht einfacher, aber leichter. Spürt wie die Liebe das Leben ausmacht Und am Ende bemerkt ihr: Oskar hat Tessas Herz den Schlag zurückgegeben. Oskar und Italien waren ein Moment des Friedens. Ein Moment - oder eine Ansammlung vieler davon - der die Zeit stehen ließ, damit sie danach umso lauter schlagen konnte. Es war eine Begegnung, die alles verändert hat. Nicht nur für Tessa. Und doch: Kurz vor dem Ende fing das Leben dann an.

„Wenn man die Angst erst einmal hinter sich gelassen hat, warten neue Welten.“

Entdeckt sie! Erlebt sie. Mit Lachen und Tränen und Herz. Wahrheiten sind eben nicht an Weichzeichnungen gebunden, sondern an Gefühl!

Eure Jil Aimée