Rezension - Wenn du dich traust - Kira Gembri / Verlagsversion

12.06.2015 14:59

Rezension – Wenn du dich traust – Kira Gembri

 

Kurzbeschreibung

Lea zählt - ihre Schritte, die Erbsen auf ihrem Teller, die Blätter des Gummibaums. Sie ist zwanghaft ordentlich und meistert ihren Alltag mit Hilfe von Listen und Zahlen. Jay dagegen lebt das Chaos, tanzt auf jeder Party und hat mit festen Beziehungen absolut nichts am Hut. Niemals würde er freiwillig mit einem Mädchen zusammenziehen, schon gar nicht mit einem, das ihn so auf die Palme bringt wie Lea. Und Lea käme nie auf die Idee, mit Jungs zusammen zwischen Pizzakartons und Schmutzwäsche zu hausen. Sonnenklar, dass es zwischen den beiden heftig kracht, als sie aus der Not heraus eine WG gründen ...

Leas Leben besteht aus Zahlen, Ritualen und festen Regeln. Jays Leben besteht aus Mädels und Partys. Als Lea in Jays Jungs-WG einzieht, sortiert sie erstmal alles, was sie in die Finger bekommt - sodass die Mitbewohner ihren Besitz in 23 sorgfältig beschrifteten Kartons wiederfinden. Jays Kumpels sind sich einig: Das Mädchen mit den großen Augen und den komischen Zählritualen muss weg. Doch wie bringt man ihr bei, dass sie ausziehen soll? Und will Jay das wirklich …?

 

Angaben zum Autor

Kira Gembri wurde 1990 als zweitältestes von fünf Kindern in Wien geboren. Dieser schönen Stadt blieb sie auch nach dem Abschluss ihres Masterstudiums der Vergleichenden Literaturwissenschaft treu. Wenn sie nicht gerade Tandem fährt, Cello spielt, ihrem Kater - einem charakterlichen Doppelgänger von Simon’s Cat - hinterherjagt oder in einem der Bücher schmökert, die sich in ihrer Wohnung stapeln, gilt ihre Leidenschaft dem Schreiben humorvoller und romantischer Geschichten.

Erscheinungsdatum der 1. Ausgabe im Verlag: 1. Juni 2015

Seitenzahl der Printausgabe: 336

Verlag: Arena Verlag

Hier gehts zum Buch: Amazon / Kira Gembri

Lieben Dank an den Arena Verlag für das Zusenden eines Rezensionsexemplars im Hardcover Format sowie für das Bereitstellen eines webfähigen Covers.

 

Rezension – Eine Fahrkarte ins Leben, bitte - einmal ‚Hin und Zurück‘

‚Und ich schätze, es könnte ziemlich gut werden, wenn du dich traust‘ - Schonungslos ehrlich – der Weg sich seinen Ängsten gemeinsam zu stellen und aus gewohnten Mustern auszubrechen. Ein Hochkaräter unter den Romanjuwelen!

Wie fängt man eine Rezension für ein Buch an, das einen in allen Bereichen einfach komplett eigenommen hat? Dessen Leichtigkeit und zugleich Ernst der Sache einen wundern lassen, wie gut es einem doch selbst geht und dennoch, wie bemerkenswert und tiefreichend die Charaktere noch lange nach Beenden des Romans auf einen wirken. Sie schummeln sich in das Gedächtnis und ihre Geschichte lässt einen nicht mehr los. Sie verändert unsere Welt ein klein wenig, rückt sie zurecht, wo man dachte es bedarf keiner Korrektur und doch wird das Leben nach diesem Roman ein bisschen besser. Besser einfach deshalb, da man erkennt, auch wieder die einfachen (okay für seiner Selbst einfachen) Dinge, wie ein Lächeln oder einen wortstarken und doch amüsanten Schlagabtausch schätzen zu lernen. Ich habe Kiras neues Buch bereits in der Selfpublisher-Version gelesen und gelernt zu lieben. Umso schöner war es für mich nun auch in ihren Verlagsauftritt bei Arena eintauchen zu können. Dazu später mehr. Vorab nur, liebe Kira, ich bin unglaublich stolz auf Dich und zu Deiner Frage zum Schluss, es war mir eine Ehre Dich dabei zu begleiten und natürlich bleibe ich Dir erhalten.

 

Wenn du dich traust‘ ist eine ganz neue Richtung für Kira und umfasst dabei noch ein hochsensibles Thema. Jenes der eigenen Ängste, die in Zwangsstörungen münden können oder dem Abschotten seines Selbst von Familie und dem eigenen Leben Ausdruck verleihen. Zum Inhalt werde ich, da sowohl der alte als auch der etwas umgewandelte neue Klappentext darüber ausreichend anreizend Stimmung machen, wenig preisgeben. Diese Rezension wird vielmehr versuchen, ein Spiegelbild meiner Leseerfahrung darzustellen.

 

DAS (!) große Thema in Kiras Roman sind Ängste.

Ängste, die einem die Leichtigkeit des Lebens an sich nehmen können. Eine Leichtigkeit, die Lea, wie es scheint, so ganz nebenbei durch den Bad-Boy Jay Schritt für Schritt zurück erhält. Aber ganz so nebenbei, wie der Anschein täuschen mag, ist dies nicht. Es erfordert Feingefühl und Verständnis und ganz viel emotionale Stärke von beiden Seiten. Eine Stärke, die Lea und Jay erst wieder lernen müssen. Und doch schaffen sie, durch die Sorge um den jeweils anderen oder auch so manches Mal durch den Ärger über den Gegenpart, diese wieder aufzubauen und sich auf das Leben an sich zu verlassen. Sie bringen beide ihr jeweils individuell festgezurrtes Päckchen an Ängsten und emotionalem Ballast mit in diese doch ein wenig ungewöhnliche Konstellation von Beziehung, die als eine Art ‚ich-helfe-dir,-wenn-du-mir-hilfst‘ Nutzgemeinschaft startet, die beiden erstmal grundlegend gegen den Strich geht. Eine Lage, die aber nun einmal für den Moment die bessere Alternative bildet. Und bei diesem ‚nur-für-den-Moment‘ soll es nicht bleiben.

Lea und Jay - so unterschiedlich sie auch sein mögen - rauer Bad-Boy mit misslungener Kindheit und zartes Mädchen mit zwanghaften Ängsten und dem Drang Kontrolle durch Zählen zurückzugewinnen - begeben sich zunächst etwas unfreiwillig und dann mit der Zeit doch voll und ganz auf eine gemeinsame Heilungstour. Ein Weg, eine Reise voller Hürden und schonungsloser Ehrlichkeit und Rückschlägen, aber auch dem Aufstehen nach dem Hinfallen.

„Immer noch reicht mein Arm über den Brunnenrand, und ich öffne die Faust. Lasse zwei Jahre aus Zahlen ins Bodenlose fallen.“

  • Werden es die beiden schaffen, ihre etwas ungewöhnliche Wohngemeinschaft zu meistern?
  • Und was stellt sich ihnen auf dieser gemeinsamen Reise Schlimmes in den Weg?
  • Und schaffen sie es dabei – jeder für sich, aber auch gemeinsam – ihre Probleme zu bewältigen und ihre Vergangenheit zu akzeptieren?
  • Die Vergangenheit darüber hinaus auch hinter sich zu lassen?
  • Und was bedeutet dieser gemeinsame Schritt für der beiden Zukunft und inwiefern gehört ein Brunnen dazu?
  • Finden sie dort auch zusammen, oder sind die Hürden, jene sich ihnen in den Weg stellen und mit Konflikten sowie Gefahren geziert sind, einfach zu groß, um am Ende Eins sein zu können?

Lest und erfahrt selbst. Es wird Euch nicht nur faszinieren und wachrütteln, sondern auch vollkommen zurücklassen.

Kira schafft es durch ihren individuellen und angenehmen Schreibstil mit kapitelweisen Perspektivenwechsel ein ursächlich oft unangenehmes Thema - psychische Erkrankung bei Lea sowie Kindesmisshandlung bei Jay - mit einer solchen Inbrunst zu erfassen, die sowohl Leichtigkeit und ganz viel Charme als auch brutale, bittere Wahrheit und tiefen Schmerz mit einbezieht. Dabei verliert sie nie den Ernst der Sache aus dem Blick. Ihre Charaktere haben Tiefgang und entwickeln durch ihre sehr feinfühlig gewählten Eigenschaften ein Eigenleben, das einen in seinen Bann zieht. Die wahre Tragweite einer solchen Geschichte wird dem Leser direkt übermittelt, da er praktisch aktiv am Geschehen beteiligt ist. Er hofft und bangt mit Lea und bekommt zumindest Ansatzweise eine Vorstellung der tatsächlichen Gewalt einer solchen Erkrankung. Er leidet gemeinsam mit Jay über seine düsteren Erinnerungen und bekommt so manches Mal ein Schleudertrauma, wenn sich seine Laune von hocherfreut und zum Shakern aufgelegt, ruckartig in abgrundtief gemein und unnahbar wandelt. Darüber hinaus haucht Kira den beiden echtes Leben ein. Sie gibt ihnen Ecken und Kanten, Sensibilität und Starrsinn, aber auch Liebe und Hass. Man fühlt alle Emotionen beim Lesen mit und so kommt man auch nicht umhin, in manch heikler Situation auf einmal und ganz überraschend ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert zu bekommen. Das sind die Momente, in jenen man die Parallelen zu seinem eigenen Leben entdeckt, so ist es bei mir in den ‚How-I-Met-Your-Mother‘ und ‚Star-Wars‘- Schlagabtauschen, aber noch in so Vielem mehr.

 

Dieser Roman – nun einem wunderschönen Hardcover-Verlagsgewand – bietet einfach das Gesamtpaket Lesen. Es fängt schon bei dem Titel an, der ganz viel über Mut vermuten lässt. Einen Mut, den es im Romangeschehen unbedingt braucht. Mut um sich selbst zu heilen und wieder dem Leben zu vertrauen. Die Verlagsversion ist dabei dem Selfpublisher Exemplar, jenes selbst schon wunderbar gestaltet und rührend erzählt war, noch um Einiges überlegen. Man merkt, dass Kiras Geschichte durch eine erneute Überarbeitung an weiterer Tiefe und Stärke, durch an entscheidenden Stellen leicht gekürzte oder inhaltlich angefettete Szenen, gewonnen hat. Sie ist gewachsen und kommt zudem in einem absolut schönen und den Inhalt gut vertretenden Kleid daher. Lea, das Mädchen auf der Schaukel, auf der Suche nach Leichtigkeit. Die wehenden Blätter im Hintergrund als Zeichen der Vergänglichkeit und des sich vollziehenden Prozesses, einfach wunderbar gewählt. Die Farbgestaltung passt sich dem Arena typischen Jugendstil hervorragend an und man weiß direkt, egal was dieses Buch bringen mag, es wird einen sich wohlfühlen lassen. Und das ist es doch, was man sich als Leser wünscht. Geschichten sollen erzählen. Erzählen von Abenteuern oder Hürden des Lebens und einen unweigerlich mit Glück erfüllen. Und genau dies tut Kiras Roman zu Gänze, unterstützt durch die leichte sprachliche Anpassung, die nahe am Originalton gehalten ist. Eine Kombination die Kiras unverkennbar einnehmenden und ergreifenden (Schreib-)Stil formvollendet. Die Geschichte jetzt ein zweites Mal gelesen zu haben, verdeutlicht mir nur noch umso mehr, wie erfüllend sie einfach ist.

 

Liebe Kira, alles in allem, kann ich nur sagen: Ich bin absolut begeistert. Von Geschichte, Charakteren, dem Cover - einfach dem Gesamtpaket. Vielen lieben Dank für diese andere, grandiose Leseerfahrung und danke Dir dafür, dass mein Leben jetzt noch ein Stückchen besser ist. Danke für die Emotionen, den Tiefgang, den Schmerz, den Kummer, den Spaß, die Liebe, danke für die Hoffnung und die schönen ‚Luke-und Lea (Leia)-Momente‘ <3 Eine Geschichte, die ich nie vergessen werde und die ich jedem zu lesen empfehle. Danke Kira.

„Dann war’s das jetzt mit den Zahlen. Dein Leben soll nicht mehr gezählt werden, sondern geschätzt.“

…und ich schätze, es könnte ziemlich gut werden, wenn du dich traust…diese Geschichte zu lesen!

Eure Jil Aimée